Betriebsimmobilie im Nachfolgeprozess: Mitverkaufen, behalten oder ausgliedern?

Viele mittelständische Unternehmen sitzen sinnbildlich „auf Beton“. Der operative Betrieb arbeitet in einer Immobilie, die dem Unternehmen, dem Inhaber privat oder einer separaten Gesellschaft gehört. Spätestens wenn es um Nachfolge oder Verkauf geht, rückt diese Frage in den Mittelpunkt.

 

Soll die Immobilie Teil des Deals sein – oder bewusst getrennt behandelt werden?

Die Antwort hat weitreichende Folgen für Kaufpreis, Finanzierung, Steuern, die persönliche Vermögensplanung und die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Der folgende Beitrag beleuchtet typische Konstellationen und zeigt Chancen und Risiken, sowohl für Nachfolger als auch für Altinhaber.

1. Wem gehört die Immobilie eigentlich?

Bevor über Strukturen und Preise gesprochen werden kann, muss zunächst Klarheit darüber bestehen, in wessen Vermögen die Immobilie steht. In der Praxis finden sich vor allem drei Varianten:

  1. Immobilie im Betriebsvermögen der operativen Gesellschaft
    Beispiel: Die GmbH ist Eigentümerin des Produktions- oder Bürogebäudes und aktiviert es in ihrer Bilanz.

  2. Immobilie im Privatvermögen des Inhabers oder der Familie
    Die Immobilie gehört einer Privatperson oder einer Erbengemeinschaft und ist an das Unternehmen vermietet.

  3. Immobilie in einer separaten Besitz- oder Holdinggesellschaft
    Häufig in Form einer zweiten Gesellschaft (z. B. Besitz-GmbH oder GbR), die die Immobilie hält und an die operative Gesellschaft vermietet.

Für Nachfolger ist wichtig:

  • Die Mietkonditionen zwischen Unternehmen und Immobilieneigentümer (oft nahestehende Personen) sind nicht beliebig veränderbar.

  • Bereits bestehende Mietverträge, Laufzeiten, Indexierungen und Investitionsregelungen wirken sich direkt auf den Unternehmenswert und die künftige Rentabilität aus.

  • Frühzeitig zu klären ist: Wird die Immobilie mitverkauft oder bleibt sie beim Altinhaber und wird langfristig angemietet?

2. Auswirkungen auf Bewertung, Finanzierung und Steuern

2.1 Unternehmenswert vs. Immobilienwert

Immobilienbesitz bedeutet Substanz, aber nicht automatisch „mehr Geld“ für den Verkäufer oder „mehr Sicherheit“ für den Nachfolger.

  • Betriebsnotwendige Immobilie
    Ist die Immobilie zwingend für den operativen Betrieb erforderlich (z. B. hoch spezialisierte Produktion), wird sie in der Regel in das Bewertungsbild des Unternehmens einbezogen.

  • Nicht betriebsnotwendige Immobilie
    Wird die Immobilie faktisch nur als Kapitalanlage gehalten und könnte der Betrieb auch an einem anderen Standort laufen, wird sie häufig separat bewertet und in der Kaufpreisverhandlung als eigener Block behandelt.

In vielen Fällen ist es sinnvoll, Unternehmen und Immobilie getrennt zu bewerten – und erst in der Transaktionsstruktur wieder zusammenzuführen.

2.2 Finanzierung und Bankensicht

Aus Finanzierungssicht ist die Immobilie zweischneidig:

  • Vorteile

    • Dient häufig als Sicherheit gegenüber Banken.

    • Kann günstigere Finanzierungskonditionen ermöglichen, wenn Lage und Drittverwendungsfähigkeit gut sind.

  • Nachteile

    • Der Erwerb der Immobilie erfordert zusätzliches Kapital.

    • Ein hoher Fremdfinanzierungsanteil kann die Eigenkapitalquote der Nachfolgergesellschaft belasten.

    • Spezialisierte oder schwer drittverwendbare Immobilien werden von Banken zurückhaltender bewertet.

Gerade für MBI-Kandidaten oder Käufer mit begrenztem Eigenkapital kann der zusätzliche Immobilienkauf zum Dealbreaker werden.

2.3 Steuerliche Aspekte

Auch steuerlich spielt die Struktur eine große Rolle:

  • Asset Deal
    Der Betrieb wird über den Kauf einzelner Vermögensgegenstände (Assets) übernommen. Wird die Immobilie mit übertragen, löst dies Grunderwerbsteuer aus. Zudem können stille Reserven in der Immobilie steuerpflichtig aufgedeckt werden.

  • Share Deal
    Es werden Anteile an der Gesellschaft erworben, die die Immobilie hält. Unter bestimmten, engen Voraussetzungen lässt sich Grunderwerbsteuer vermeiden oder reduzieren. Gleichzeitig sind die steuerlichen Effekte der stillen Reserven und die Struktur im Hintergrund (z. B. Betriebsaufspaltung) zu berücksichtigen.

Die optimale Lösung hängt von der Ausgangsstruktur, der Haltedauer, dem Status der Immobilie (Betriebs-/Privatvermögen) und den Zielen von Käufer und Verkäufer ab. In komplexeren Fällen ist die abgestimmte Betrachtung von Steuerberater, M&A-Berater und ggf. Finanzierungspartner ratsam.

3. Gestaltungsoptionen im Überblick

Im Kern kreisen die meisten Transaktionsmodelle um drei Varianten – die sich in der Praxis oft kombinieren lassen:

3.1 Immobilie mit dem Unternehmen erwerben

  • Betrieb und Immobilie werden gemeinsam vom Nachfolger übernommen.

  • Der Käufer kann die Immobilie später in eine eigene Besitzgesellschaft einbringen oder in die bestehende Struktur integrieren.

  • Vorteil: „Alles aus einer Hand“, klare Eigentumsverhältnisse, kein zusätzlicher Vermieter.

3.2 Betrieb kaufen, Immobilie mieten

  • Die Immobilie bleibt im Eigentum des Altinhabers oder einer Familien-/Besitzgesellschaft.

  • Das Unternehmen schließt einen langfristigen Mietvertrag ab.

  • Vorteil: Geringerer Kapitalbedarf für den Nachfolger, laufende Mieteinnahmen für den Verkäufer.

3.3 Sell-and-Lease-Back

  • Die Immobilie wird an einen Dritten (z. B. Investor) verkauft und gleichzeitig langfristig zurückgemietet.

  • Modell kann vor oder im Rahmen des Unternehmensverkaufs eingesetzt werden.

  • Vorteil: Liquidität wird freigesetzt, Bilanz wird „asset-light“ – aber das Unternehmen trägt künftig eine feste Mietlast.

4. Chancen und Risiken für Nachfolger*innen

Chancen

  • Planungssicherheit

    • Bei Eigentum: volle Kontrolle über Standort, Umbauten und Erweiterungen.

    • Bei klar geregeltem Mietvertrag: verlässliche Kostenplanung.

  • Strategische Flexibilität

    • Immobilie in eigener Struktur ermöglicht späteren Verkauf, Umwidmung oder Standortwechsel.

  • Finanzierungsvorteile

    • Immobilie als Sicherheit kann Gespräche mit Banken erleichtern – insbesondere bei guten Lagen.

Risiken

  • Überfinanzierung / Überdehnung

    • Gleichzeitige Finanzierung von Unternehmen und Immobilie kann die Kapitaldecke stark beanspruchen.

    • Zu hohe Fremdmittel schränken spätere Investitionsspielräume ein.

  • Strukturelle Abhängigkeiten

    • Ungünstige Mietverträge (zu hohe Miete, starre Laufzeiten, unklare Instandhaltung) drücken die Marge und damit den Unternehmenswert.

    • Eine Immobilie, die stark an das aktuelle Geschäftsmodell gebunden ist, erschwert künftige strategische Veränderungen.

  • Bewertungsrisiken

    • Überschätzter Immobilienwert, unterschätzter Investitionsbedarf (Sanierung, Energieeffizienz, Baurecht) können sich in der Realität als Kostentreiber entpuppen.

5. Chancen und Risiken für Verkäufer:innen

Die Immobilie ist für Altinhaber oft mehr als ein Vermögensgegenstand. Sie ist Teil der Lebensleistung. Umso wichtiger ist es, die Optionen bewusst zu prüfen.

5.1 Immobilie mitverkaufen

Chancen für Verkäufer

  • Sauberer Exit

    • Mit dem Verkauf von Betrieb und Immobilie wird der Standort vollständig übergeben.

    • Keine nachgelagerten Verpflichtungen für Unterhalt, Vermietung oder Neuvermarktung.

  • Paketpreis und Prozessvereinfachung

    • Für bestimmte Käufer (strategische Investoren, Konzerne) kann das Komplettpaket attraktiver sein, was sich positiv auf den Gesamtpreis auswirken kann.

    • Weniger parallele Vertragswerke, weniger Abstimmungsbedarf.

  • Realisierung stiller Reserven

    • Langjährig gehaltene Immobilien enthalten oft erhebliche stille Reserven, die über den Verkauf gehoben werden können.

Risiken für Verkäufer

  • Verzicht auf laufende Mieteinnahmen

    • Wird die Immobilie mitverkauft, entfällt die Chance auf eine langfristige, stabile „Miet-Rente“ im Ruhestand.

  • Begrenzung des Käuferkreises

    • Ein höheres Gesamtvolumen (Unternehmen + Immobilie) kann Interessenten mit geringerem Eigenkapital abschrecken, insbesondere MBI-Kandidaten.

  • Steuerliche Belastung

    • Aufdeckung stiller Reserven führt zu Steuerzahlungen; je nach Struktur kann der Nettoerlös deutlich vom Brutto-Kaufpreis abweichen.

5.2 Immobilie behalten und vermieten

Chancen für Verkäufer

  • Planbare Altersvorsorge

    • Langfristiger Mietvertrag mit dem Nachfolger schafft regelmäßige Einnahmen und trägt zur finanziellen Unabhängigkeit bei.

  • Vermögensdiversifikation

    • Nach dem Verkauf des operativen Geschäfts bleibt die Immobilie als eigenständiger Vermögenswert erhalten.

  • Option auf späteren Verkauf

    • Die Immobilie kann zu einem späteren Zeitpunkt – etwa an einen institutionellen Investor – verkauft werden, möglicherweise mit einer stabilen Miete als Verkaufsargument.

Risiken für Verkäufer

  • Leerstands- und Bonitätsrisiko

    • Gerät der Nachfolger in Schwierigkeiten, kann es zu Mietausfällen oder Leerstand kommen, insbesondere bei stark spezialisierten Immobilien.

  • Konfliktpotenzial

    • Streit über Mietzinshöhe, Instandsetzungen oder Erweiterungen kann das Verhältnis zwischen Altinhaber und Nachfolger belasten.

  • Einfluss auf den Unternehmensverkauf

    • Eine zu hohe Miete schmälert das Ergebnis des Unternehmens. Käufer reagieren mit einem niedrigeren Kaufpreis.

    • In extremen Fällen scheitern Transaktionen an unrealistischen Mietvorstellungen.

  • Strukturelle & steuerliche Fallstricke

    • Insbesondere bei bestehenden Besitz-/Betriebsstrukturen (Stichwort: Betriebsaufspaltung) kann das Behalten der Immobilie bei gleichzeitiger Veräußerung des Betriebs steuerliche Konsequenzen haben, wenn die Struktur nicht sauber angepasst wird.

6. Sell-and-Lease-Back: Spezialfall mit doppelter Wirkung

Aus Verkäufersicht kann ein vorgelagertes oder begleitendes Sell-and-Lease-Back folgende Effekte haben:

  • Liquiditätsgewinn

    • Kapital wird frühzeitig frei, um Schulden abzubauen, zu investieren oder privat umzuschichten.

  • „Verschlankte“ Story

    • Der operative Betrieb lässt sich als asset-light Geschäftsmodell positionieren, für bestimmte Käufergruppen attraktiv.

Gleichzeitig gilt:

  • Langfristige Mietlast

    • Hohe, langfristige Mieten belasten das künftige Ergebnis und können den erzielbaren Unternehmenswert mindern.

  • Geringere Flexibilität

    • Strenge Verträge mit Immobilieninvestoren schränken spätere Umbauten, Erweiterungen oder Standortwechsel ein – sowohl für Verkäufer als auch für Käufer.

7. Fazit: Immobilie bewusst in die Nachfolgestrategie integrieren

Eine Betriebsimmobilie ist mehr als ein Bilanzposten. Sie ist:

  • Standortfaktor,

  • Vermögensbaustein,

  • Finanzierungs- und Steuerhebel

  • und oft Teil der persönlichen Lebensleistung des Unternehmers.

Nachfolger sollten prüfen, ob die Immobilie strategischer Vorteil oder potenzielle Belastung ist und welche Struktur zur eigenen Finanzierungskraft und Wachstumsstrategie passt.

Verkäufer sollten klären, ob sie mit Betrieb und Immobilie zugleich aussteigen wollen, oder die Immobilie gezielt als stabile Einkommensquelle und Vermögensanker behalten möchten.

Ob Eigentum, Miete oder Mischmodell:
Die beste Lösung entsteht selten unter Zeitdruck, sondern durch frühzeitige, integrierte Planung, idealerweise gemeinsam mit M&A-, Finanzierungs- und Steuerexpert*innen, die Unternehmen und Immobilie als zwei Seiten derselben Medaille betrachten.

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